Überlingen, im Januar 2014
Liebe Mitglieder und Freunde des Vereins WiR e.V.,
russische Waldorfschulen zu unterstützen, hat eine menschliche, aber auch eine politische Seite: "Erziehung zur Freiheit" ist der Leitspruch der anthroposophischen Pädagogik weltweit. Am Aufstand der Ukrainer und an der rigiden, antiwestlichen Haltung Russlands zeigt sich nun erschreckend der Graben zwischen West und Ost. Wir wollen Gräben zuschütten und russischen Kindern Erziehung zur Freiheit ermöglichen. Bitte lesen Sie unsere Berichte aus Russland:
Lena Sergejewa, Direktorin der WS Jaroslawl, schrieb am 20. November 2013:
Liebe Freunde von WiR!
Hier erzähle ich Ihnen ein bisschen, wie es unserer Schule und dem Kindergarten z.Zt. geht. Wir haben 125 Kinder in der Schule und 50 im Kindergarten in drei Gruppen. Auch das Lehrerkollegium wächst: wir haben in diesem Jahr in Vollzeit eine Logopädin, eine Psychologin und eine Heilpädagogin (mit Zertifikat aus Dornach) eingestellt, damit sie den Kindern, die Probleme haben, helfen können; und es gibt eben immer mehr solche Kinder.
(Die Zunahme "schwieriger" Kinder, die eigentlich eine heilpädagogische Begleitung brauchen, ist ein wachsendes Problem für die Schule; die Waldorfschule ist für die Eltern oft die letzte Hoffnung. Die russischen Lehrer beneiden uns um die Kaspar-Hauser-Schule!) ...
Eingang der WS Jaroslawl
Wir danken Ihnen für Ihre Hilfe für die zwölf Familien, die das Schulgeld nicht in voller Höhe bezahlen können. Einigen Eltern hilft auch die Schule selbst, aber Ihr Beitrag ist bei weitem größer.
(Es folgt die Bitte um Hilfe für eine weitere Familie – Großmutter, Tochter und Kindergartenkind.)
Die Großmutter schämt sich, um Geld zu bitten, deshalb schreibe ich, obwohl es mir auch nicht leicht fällt – Sie helfen unseren Eltern schon so viel. Wir akzeptieren jede Entscheidung und sind schon dankbar, dass wir uns einfach an Sie wenden dürfen. Unsere russischen Menschen haben noch nicht so viel Großherzigkeit entwickelt, dass sie anderen Eltern helfen. In diesem Schuljahr haben wir den Schwerpunkt auf die Ausarbeitung differenzierter Lernprogramme gelegt, um nicht nur die Kinder, die Probleme haben, zu unterstützen, sondern gerade auch die lernstarken.
Natürlich erwärmen auch die vielen festlichen Ereignisse unsere Herzen: Es gibt Malkurse, Biografieseminare und gute, menschlich warme Beziehungen unter den Kollegen, die immer bereit sind, einander zu helfen und die sehr, sehr viel arbeiten. Wir bereiten gerade das Laternenfest vor (bei Ihnen St. Martin) und den Weihnachtsbasar, der in diesem Jahr die ganze Schule und sogar den Schulhof einnehmen wird. Es soll acht Werkstätten geben, zwei Cafés, drei Theateraufführungen und ein Marionettenmärchen für die ganz Kleinen. Wir hoffen sehr, dass es nicht nur ein Fest für uns selbst wird, sondern auch für Kinder und Eltern aus staatlichen Schulen.
In der Frage nach einem Pachtvertrag für das Schulgelände hat sich nicht das geringste bewegt, da Jaroslawl z.Zt. ohne Führung dasteht: der (oppositionelle) Bürgermeister sitzt im Gefängnis, und seine Vertreter haben Angst, einen seriösen Vertrag zu unterzeichnen; denn sie fürchten um ihren Posten und nehmen keine Verantwortung auf sich. Im Augenblick werden viele Beamte in Jaroslawl entlassen und wegen Bestechlichkeit verurteilt – das ist die Strafe für unseren oppositionellen Bürgermeister und seine Mannschaft. Aber wir leben und arbeiten, die Kinder gehen in die Schule und in den Kindergarten, und das Leben geht weiter.
Wir wünschen Ihnen Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr, und wir wünschen Ihnen und Ihren Familien Liebe und Wohlergehen. Es grüßt Sie mit den wärmsten Gefühlen
Lena Sergejewa
Nachtrag vom 14. Januar 2014: Das Neue Jahr bringt uns neue Nachrichten: Die von der Stadt versprochenen 50.000 Euro zur Unterstützung des Kindergartens gibt es nun doch nicht. Es heißt, es sei kein Geld da und der Regierungsbezirk Jaroslawl mache Bankrott. Dafür kommt am 18. Februar eine Kontrollkommission zur Überprüfung der staatlichen Lizenz, der Unterrichtsqualität und aller Akten und Dokumente. Hauptsache, wir leben fröhlich und langweilen uns nicht! L. S.
WS Woronesch, Brief des Kollegiums vom 22. Dezember 2013:
An unsere lieben Freunde von WiR!
Wieder einmal möchten wir Ihnen für Ihre Unterstützung danken! Zum demnächst zwanzigjährigen Bestehen der WS "Raduga" (Regenbogen) stellte sich besonders dringend die Frage nach einem eigenen Gebäude. Aber als wir die ersten Schritte auf dieses Ziel hin unternahmen, wurde klar, dass wir nicht weiterkommen würden ohne einen anfänglichen Kapitalgrundstock, auf den wir uns stützen können. Im vergangenen Schuljahr ist es uns gelungen, die Lehrergehälter aus eigener Kraft zu finanzieren. Deshalb beschlossen wir, das gesamte Geld, das wir 2013 von Ihnen erhalten haben (10.000 Euro) für den Kauf eines Gebäudes zurückzulegen.
Im Augenblick haben wir etwas möglicherweise Passendes gefunden (siehe Foto). Da wir jetzt ein Anfangskapital haben, führten wir schon die ersten Verkaufsgespräche. Haben Sie größten Dank dafür, dass wir dank Ihrer Hilfe den ersten Schritt zum Ziel machen konnten!
Wir wünschen Ihnen ein fröhliches Weihnachtsfest voller Inspiration, Freude und Wohlergehen! Möge unsere Dankbarkeit Ihre Herzen an den kalten Winterabenden erwärmen!
Mit herzlichen Grüßen
Schüler, Eltern und Lehrer der WS Raduga
Irina Beljakowa, St. Petersburg. Sie hat aus dem Nichts heraus die landwirtschaftlich-pädagogische Initiative "Stavotino" bei St. Petersburg gegründet. Dort finden regelmäßig Seminare zur biodynamischen Landwirtschaft statt, oft mit deutschen Referenten; ebenso Sommerlager für Kinder mit Arbeit an der Erde. Die bisherige Waschgelegenheit für bis zu 20 Personen war eine Plastikschüssel im Vorraum. WiR konnte mit 3.000 Euro (und viel russischer Eigenarbeit) zu einer Banja (Sauna) verhelfen. Irina schrieb am 1. November 2013:
Liebe Freunde,
man sollte nicht meinen, eine Banja sei der Ort, wo sich die Leute nur waschen und irgendwelche hygienischen Prozeduren vornehmen. Nein, die Banja ist der Ort, wo globale Entscheidungen fallen, wo sich das Schicksal der Menschen vollzieht, wo Zukunftspläne geschmiedet und stürmische Diskussionen geführt werden! Und außerdem kann man dort mit einer Tasse Tee, versüßt mit Moosbeermarmelade, von den Mühen des vergangenen Tages ausruhen.
Ihnen allen sei Dank für diesen Segen, den wir nun dank Ihrer finanziellen Unterstützung genießen können. Jetzt wird die Zukunft der russischen biodynamischen Landwirtschaft in der dampfenden Leichtigkeit der Banja entschieden! Und wir freuen uns sehr, wenn wir Sie bei uns in Stawotino begrüßen dürfen!
Mit herzlichen Grüßen
Irina Beljakowa
Auszug aus einer E-Mail vom 19. Oktober 2013:
Kolja (Irinas Mann) und ich haben zusammen mit unserem Nachbarn Sergej in zwei Tagen 1.000 kg, also eine Tonne Möhren geerntet! Sergej saß sieben Jahre im Gefängnis, im Juli wurde er entlassen, und jetzt ist er unser bester Helfer!
Wir werden die Möhren jetzt nach und nach verkaufen, und zwar nicht billig. Ich habe mir einfach gesagt: Das muss Geld kosten, denn solche Möhren gibt es sonst nirgendwo! Ich verkaufe sie für etwa 2 Euro/kg. Die Firma Wala hat schon eine Bestellung aufgegeben, und ich denke jetzt ernsthaft an eine Zertifizierung als Demeterbetrieb.
Es scheint, dass unsere Zeit gekommen ist! Wenn die Banja nicht gewesen wäre (ich habe sie täglich geheizt), hätten wir es nicht geschafft, diese Riesenmenge zu ernten.
Danke!
I. B.
Den oben zitierten Briefen konnten Sie entnehmen, dass das Geld, das durch Spenden und mit viel geduldiger Arbeit erwirtschaftet wird, nach wie vor bitter benötigt wird, und dass es schließlich dorthin gelangt, wo die Not ist und es mit großer Dankbarkeit entgegen genommen wird.
Wir wollen diesen Dank an Sie, liebe Mitglieder, Spender und Helfer weitergeben, unseren eigenen Dank anschließen und verbinden mit der Bitte, die Arbeit auch weiterhin zu unterstützen durch Mitarbeit, Mitgliedschaft und Spenden und durch Ihre guten Gedanken.
Für das Jahr 2014 wünschen wir Ihnen alles Gute, Glück, Gesundheit und Zufriedenheit. Mögen Ihre Vorhaben gelingen und möge der eine oder andere Traum wahr werden.
Thea Hepting Bernd Strobel Bärbel Frömter