Jahresrückblick 2009

Überlingen, im Januar 2010

Liebe Mitglieder und Freunde,

dies ist ein Brief mit Trauerrand. Unsere geliebte und verehrte Galina Wolkowa, Direktorin der WS Jaroslawl, ist am 3. Dezember 2009 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie wurde 49 Jahre alt. In diesen sieben mal sieben Jahren hat sie so intensiv gelebt, hat so viel geleistet ohne Rücksicht auf ihre Kräfte und hat so viel Licht und Wärme in die Welt getragen, dass ihr Leben vollendet war. Lesen Sie den Nachruf, der in den "Mitteilungen" der FWS Überlingen erschienen ist.

So ist das Jahr 2009 für uns überschattet von diesem Verlust. Und doch gab es elf Monate, in denen wir fröhlich, zuversichtlich und auch erfolgreich gearbeitet haben. Das wollen wir auch weiterhin tun; denn die WS Jaroslawl braucht unsere Hilfe mehr denn je. Der Verein hat im vergangenen Jahr bei 17 Veranstaltungen seinen Stand aufgebaut und außer Dingen aus Russland auch viel Selbstgebackenes, -gekochtes und -gebasteltes verkauft. Hergestellt wird das alles in arbeitsam-geselliger Runde von einem treuen HelferInnenteam. Allen sei ein Lorbeerkranz aufs Haupt gedrückt!

In tiefem Dank sind wir wieder verbunden, deren Vorträge immer und im ganzen Wortsinn ein reiner Gewinn für uns sind. Dank sei ihr auch für ihren Trost in den Tagen des Schocks und des Schmerzes. Auch an Frau Dr. Buhl in Würzburg geht wieder unser jährlicher Dank. Sie lässt sich weder vom hohen Alter noch von der beeinträchtigten Gesundheit daran hindern, viele Spendengelder für Jaroslawl zu sammeln, so dass alle bedürftigen Familien unterstützt werden konnten.

Hauptereignis des Jahres 2009 war wieder der Basar mit drei Verkaufsständen, den gebrannten Mandeln und dem russischen Restaurant. Um die Gäste dieses Restaurants zu bekochen und mit Liedern und Tänzen zu unterhalten, kam eigens eine Gruppe von Eltern und Schülern aus Jaroslawl angereist. Sie haben geschuftet und alles aufs Beste getan. Trotzdem ergibt die Bilanz, dass der Verein alleine diese Besonderheit nicht mehr leisten kann. Wir hoffen auf die Hilfe der Schule, da gerade am Basar viele Menschen in lebendigen Kontakt mit "Russischem" kommen.

Am gleichen Samstag bestückten wir noch einen Verkaufsstand auf dem Salemer Weihnachtsmarkt, was trotz guter Planung nicht ohne Stress und Hetze ging. Glücklicherweise fanden sich hilfsbereite Menschen, die den zweitägigen Verkauf in Salem übernahmen. Danke! Wir sind noch am Abwägen zwischen (Kräfte-)Verlust und Gewinn, was diesen Markt betrifft.

Alle diese Tätigkeiten sowie die Spenden und Mitgliederbeiträge ermöglichten folgende Zuwendungen:

Jaroslawl17.000 €
Woronesch5.000 €
Landwirtschaftlich-pädagogische Initiative/Waldai2.000 €

Schon liegen uns wieder neue Bitten vor, da immer mehr Eltern wegen der steigenden Lebenshaltungskosten das Schulgeld nicht in voller Höhe aufbringen können. Also nehmen wir die Arbeit wieder auf – fröhlich (ja, es macht nämlich Freude), zuversichtlich und hoffentlich wieder erfolgreich; denn es kommt nicht in Frage, dass wir die Jaroslawler Schule jetzt allein lassen.

Ihnen allen, die Sie diese Arbeit auf vielfältige und ermutigende Art mitgetragen haben, danken wir von Herzen und wünschen Ihnen ein gesegnetes Jahr 2010.

Elena Bockemühl Sergej Bojkov Bärbel Frömter



Für Leser, welche die 'Mitteilungen' nicht erhalten, fügen wir noch folgenden Brief vom Oktober 2009 bei:

Liebe Schulgemeinschaft, liebe Freunde und Unterstützer,

ausnahmsweise erhalten wir auch Post aus Deutschland als Reaktion auf unsere Berichte. So auch von Michael Martin aus Nürnberg. Michael Martin, ehemaliger Waldorflehrer, ist jetzt 85 Jahre alt und unterstützt und schreibt uns immer wieder. Warum? Er wurde als blutjunger Abiturient zur Wehrmacht eingezogen und geriet als Zwanzigjähriger in russische Gefangenschaft. Fünf endlose Jahre schuftete er unter den elendesten Bedingungen in Russland, davon knapp drei Jahre in Jaroslawl in der Motorenfabrik, die es heute noch gibt. Er hätte allen Grund, diesem Land, in dem er so viel gelitten hat, den Rücken zu kehren. Aber er schreibt uns Folgendes:

"Sie werden wohl kaum ahnen, wie mich die Post von WiR ergriffen hat! Ein Tor hat sich wieder geöffnet, mit einem Blick in längst vergangene Zeiten, die dann doch wieder so gegenwärtig erscheinen, dass man meinen könnte, die Zeit sei stehen geblieben! Es schmerzt einen, dass "unsere" Schulen in Russland zumindest mit Gleichgültigkeit behandelt werden und keine Unterstützung finden – und andererseits: welches unfassbare Glück, dass hier zwei Völker sich zusammenschließen (Russen und Deutsche), die gleichsam hinter der äußeren Welt einen gemeinsamen Zusammenhang geistig-seelischer Art aufbauen und dafür ihre Kräfte einsetzen für eine friedliche, gemeinsame Zukunft unserer Kinder."

Kein Hass, keine Bitternis, sondern das Gegenteil: der unbedingte Wille zur Versöhnung und die klare Einsicht, dass Deutsche und Russen in Freundschaft miteinander leben müssen, so, wie sie es bis zu den beiden Weltkriegen immer getan haben. So kann Vergangenheit also auch bewältigt werden: "… Erlebtes sinnvoll deutend aus Weltengeistes Kräftequell". Diese Umwandlung von persönlich Erlittenem in einen Zukunftsimpuls ist so eindrücklich, dass wir sie auch anderen Menschen einmal mitteilen wollten.

Mit herzlichen Grüßen für WiR e.V. Bärbel Frömter